Monatliches Archiv: Januar 2018

Watch me if you can

Schau auf mich – das 37. Internationale Festival der Filmhochschulen München

Sehenswertes Kino im dunklen Novembertagen; Jungregisseure, die sich eine Karriere in Hollywood erhoffen; bester Branchentreff und kollegialer Austausch; ausgelassene Partystimmung; humorvolle und unermüdliche Moderatoren; liebevolle Gästebetreuung; viel Bier und gutes Essen. Alles das wird traditionell mit dem Internationalen Festival der Filmhochschulen verbunden.
„Die Woche war sehr interessant“, sagt Filmpfarrer Eckart Bruchner. „Es war eine gute Stimmung. Das Hochschulfestival ist zwar nicht so groß wie das Filmfest München, aber für die Zukunft eigentlich wichtiger. Große Regisseure haben hier ihre ersten Preise bekommen.“
Vielleicht ist das Münchner Hochschulfestival, das diesmal unter dem Motto Watch me if you can steht, beim Filmnachwuchs auch deshalb so beliebt, weil so viele Preise locken. In diesem Jahr wurden insgesamt Preisgelder in Höhe von kapp 70.000 Euro vergeben, dank langjähriger treuer Stifter, wie beispielsweise dem VFF. Die Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten vergab ihren Young Talent Award (7.500 Euro) in diesem Jahr an die 29jährige Filmemacherin Sinje Köhler von der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Ihr Beitrag Freibadsinfonie, ist ein kurzweiliger Episodenfilm in Schwarz-Weiß, der an einem Sommertag im Freibad dem Leben einer in einer Eiskugel versinkenden Wespe ebenso intensiv nachspürt, wie einer älteren Schauspielerin, die sich hinter großer Sonnenbrille und Bademantel so lange versteckt, bis ihr Schwimmlehrer kommt.
Die Nagelschneider-Stiftung, mit dem Climate Clip Award ebenfalls ein Veteran des Festivals, prämierte dieses Jahr Real News von Fabian Carl, A World Unseen von Kim Kreiser und Office Fish von Benjamin Vornehm mit 5.000, 3.000 bzw. 1.000 Euro.

Reformationspreis 2017

Es gab 2017 aber auch ganz neue Sponsoren, wie die Evangelisch-Lutherische Kirche, die besonders spendabel war und für die talentierten Filmemacher von morgen Preisgelder in Höhe von 15.500 Euro und eine Trophäe gestiftet hat: „Es ist das erste Mal, dass ich in dieser Form mit dem Filmschoolfest kooperiere“, sagt die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler. Die ständige Vertreterin des Landesbischofs will mit dem von ihr anlässlich des aktuellen Reformationsjubiläums einmalig ausgelobten Reformationspreises junge Filmschaffende für ein Thema sensibilisieren, das ihr quasi berufsmäßig auf den Nägeln brennt.

V.l.n.r.: Fatih Tura („The Origin of Trouble“), Joren Molter („Greetings from Kropsdam“), Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, Julia Lindström („Mamma“), Festivalleiterin Diana Iljine, Jurymitglied Xaver Schwarzenberger

„Im 16. Jahrhundert sorgten besonders Flugschriften, Briefe und Bücher für die Verbreitung des Gedankenguts von Martin Luther. Heute sind es die modernen Medien, die unsere Diskurskultur beeinflussen“, betont Susanne Breit-Keßler. „Filme setzen ins Bild, womit Menschen sich befassen, was sie umtreibt. Sie machen anschaulich, worum es im Miteinander geht. Das kann unsere Botschaft, unser Evangelium unterstreichen, zur Diskussion stellen oder auch einmal konterkarieren. Der Diskurs ist für den eigenen Glauben fruchtbar“, sagt sie.
Bei der Entscheidungsfindung standen ihr neben dem international renommierten Regisseur und Kameramann Xaver Schwarzenberger auch der selbst kabarettistisch und schauspielerisch tätige Alt-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München Christian Ude als Jurymitglieder zu Seite standen.
Seine Woche mit 44 Kurzfilmen aus 17 Ländern hat der Cineast Ude auf den Punkt gebracht: „Es war ein Eintauchen in eine andere Welt. Kino ist anders als Fernsehkonsum in der eigenen gewohnten Umgebung. Man lässt sich stärker darauf ein. Ich fand die Vielzahl der Handschriften erstaunlich; sie waren vollkommen unterschiedlich. Es gab überhaupt nichts, was nur entfernt an die jungen Protestfilme der 1970er Jahre erinnert hätte. Es war sehr viel privater, sehr viel intensiver, weniger bewertend, weniger protestierend, sehr stark orientiert am Familiären, an Beziehungen zwischen Einzelpersonen, aber trotzdem hat man Zeitprobleme durchschimmern sehen.“

Mit ihrer Dokumentation The Origin of Trouble machte Tessa Louise Pope von der niederländischen Filmakademie in Amsterdam dem Motto des Festivals alle Ehre. In einem sehr persönlichen Interview mit ihrem leiblichen Vater erfährt der Zuschauer, warum die Regisseurin ohne ihn aufgewachsen ist. Sie war die Gewinnerin des zweiten Preises (3.000 Euro) zum Thema Reformation.
Von derselben Filmschule eingereicht wurde auch Greetings from Kropsdam von Joren Molter, dem Hauptgewinner des Reformationspreises (7.500 Euro). Sein Film zeige einen Mann, so Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, der sorglos sein Leben lebt, freundlich gegenüber jedermann, interessiert an allem, was passiert. In den Augen seiner Mitmenschen macht er einen Fehler – sie strafen ihn gnadenlos dafür ab. Die Jury, lobt einen „unglaublich ehrlichen Film, der totalitäre Mechanismen von Sozial- und Geisteskontrolle aufdeckt und Mut macht, sich in Gottes Namen gegen Borniertheit und Enge durchzusetzen – und notfalls dann eigene Wege zu gehen, die in Weite und Freiheit führen.“

Mit dem Reformationspreis soll die Bedeutung der Reformation auch für das aktuelle Medienzeitalter unterstrichen werden. Auch Bildung sei ein wichtiges Thema der Reformation, weshalb sich der Preis auch an den Filmnachwuchs richtet.
Das Preisgeld sei deshalb so hoch, erklärt Breit-Keßler, damit sich die jungen Filmstudierenden auch finanziell für Ihre Auseinandersetzung mit Kernthemen der Reformation und Neuzeit, wie Freiheit, Mut und Zivilcourage, gewürdigt wissen. Da ist die Hoffnung groß, dass auch künftig das Thema Film eine Rolle in ihrem Kirchenkreis spielen wird, der sich von Freising bis Berchtesgaden erstreckt.

Eine fromme Liaison?

Ihr Verhältnis zur Interfilm-Akademie, dem internationalen Forum, das seit über 35 Jahren den Dialog zwischen Film, Kultur und Religion fördert und seit einem Jahr Dekan Peter Marinković als Nachfolger von Pfarrer Eckart Bruchner leitet, sieht sie positiv: „Ich schätze Direktor Peter Marinković sehr – ‚mein‘ Dekan ist ein Mann mit großem, sensiblen Gespür für Kunst. Mit der Jury hatten wir während des Festivals einen wunderbaren kollegialen und freundschaftlichen Kontakt. Aber wir haben uns natürlich gegenseitig nichts verraten über unsere Favoriten!“, so die Regionalbischöfin.

Dennoch haben beide Jurys unabhängig voneinander denselben Film prämiert: Mamma von der norwegischen Filmemacherin Julia Lindström, die an diesem Abend mit Siegertrophäe des Bildhauers Bernd Sauter und Preisgeld des Prix Interculturel für Verdienste um den interkulturellen Dialog (1.500 Euro) sowie mit dem dritten Preis (3.000 Euro) zum Thema Reformation beglückt wurde.
Lindströms 25-minütiger Spielfilm Mamma ist, so der Laudator Peter Marinković von der Interfilm-Akademie, „die kraftvolle Geschichte von drei Frauen auf der Suche nach dem so genannten normalen Leben. Eine Großmutter, eine Mutter und ihre Tochter. Alle noch jung und zerrissen zwischen Freiheitsdrang, Hingabe und Verantwortung.“ Mit „schönem Realismus, unprätentiösen Details und begrenzten Dialogen“ zeige der Film, dass – unabhängig von Kultur und Gesellschaft – „die Verhaltensmuster einer Generation auf die nächste vererbt werden können.“

V.l.n.r.: Bildhauer Bernd Sauter, Filmpfarrer Eckart Bruchner, Preisträgerin Julia Lindström und Jury-Präsident Dr. Peter Marinković. Credit: Ronny Heine

Aber es geht nicht immer nur um Preise oder Geld. Oder doch? Jedenfalls benötigte der Venezolaner Leandro Lioh Navarro für seinen großartigen Schauspielerfilm You Usually Leave Me nur 70 Dollar (das meiste davon soll für das Catering ausgegeben worden sein). Der Student der Nationalen Filmschule Venezuelas in Caracas verdichtet in seinem 22-minütigen Film das Ausklingen einer Liebesbeziehung zu einem poetischen Stimmungsbild seiner Heimat, deren Bewohner ihr Land verlassen wollen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Fremde. Im Wettbewerb um die begehrten Preise ging sein Beitrag allerdings leer aus.

Angelika Irgens-Defregger

Gräfelfinger Filmgespräch: Abgang mit Stil (Going in Style)

USA 2017 | 96 Min. | Regie: Zach Braff | mit Michael Caine, Richie Moriarty, Josh Pais u.a.
Mittwoch, 07.02.2018 19:45
Filmeck Gräfelfing, Bahnhofplatz 1 / 82166 Gräfelfing

Die drei lebenslangen Freunde Willie, Joe und Al schießen das Rentnerdasein in den Wind und weichen erstmals im Leben vom Pfad der Tugend ab. Der Grund: Die von ihrer Firma bisher gezahlte Rente löst sich plötzlich in Luft auf. Als die drei die Rechnungen nicht mehr bezahlen und ihre Familien nicht mehr versorgen können, setzen sie alles auf eine Karte und planen einen halsbrecherischen Coup, um eben jene Bank abzuzocken, die sich ihr Altenteil unter den Nagel gerissen hat. (Quelle: Zelluloid.de)

Einführung und Diskussion mit Pfarrer Eckart Bruchner, Interfilm-Akademie.

Gräfelfinger Filmgespräch: Gaugin

Frankreich 2017 | 102 Min. | Regie: Edouard Deluc | mit Vincent Cassel, Tuheï Adams, Malik Zidi u.a.
Mittwoch, 03.01.2018 19:45
Filmeck Gräfelfing, Bahnhofplatz 1 / 82166 Gräfelfing

Tahiti, 1891. Der französische Künstler Paul Gauguin hat sich in sein selbsterwähltes Exil nach Französisch-Polynesien zurückgezogen. Er lässt sich vom Dschungel verschlucken, trotzt Einsamkeit, Hunger und Krankheit. Während seinen Erkundungstouren über die Insel trifft er auf die junge Eingeborene Tehura, die seine Muse und auch Modell seiner bekanntesten Gemälde werden wird. Als freier Mann in der Wildnis – fernab der Politik und Regeln eines zivilisierten Europas, entwickelt er einen neuen Stil des Malens. (Quelle: Zelluloid.de)

Einführung und Diskussion mit Pfarrer Eckart Bruchner, Interfilm-Akademie.

Kinotreff Rio: Midnight in Paris

USA / Spanien 2011 | 94 min. | Regie: Woody Allen | mit Kathy Bates, Adrien Brody, Carla Bruni, Marion Cotillard, Rachel McAdams u.a.
Mittwoch, 17.01.2018, 18 Uhr
Rio Filmtheater, Rosenheimer Str. 46 / 81667 München

Der amerikanische Schriftsteller Gil Pender hat seine Verlobte und deren Eltern nach Paris begleitet. Fasziniert von dieser Stadt und deren Vergangenheit streift er nachts allein durch die Straßen, als ein mysteriöser Oldtimer vor ihm auftaucht, dessen heitere Insassen ihn einladen mitzufahren. Er findet sich auf einer ungewöhnlichen Party wieder, wo er auf phantastische Weise mit legendären Künstlerpersönlichkeiten aus längst vergangenen Tagen zusammentrifft. Auch in den folgenden Nächten wartet er zur Geisterstunde auf den Wagen, mit dem seine wundersame Zeitreise aufs Neue beginnen kann, bis er zu einer überraschenden Einsicht gelangt. Einer der besten Filme von Woody Allen und eine liebevolle Umarmung für die Stadt, die Kunst und das Leben.

Einführung und Diskussion: Kirsten Martins, Kulturjournalistin BR