Sehsüchte Potsdam 2012

Sehsüchte – 41. Internationales Studentenfilmfestival der HFF “Konrad Wolf” Potsdam-Babelsberg
24.-29. April 2012
Sehsüchte Potsdam 2012 - Babelsberg

Mitten im idyllischen und etwas verschlafenen Babelsberg bei Potsdam liegt ein filmisches Konglomerat, wie es in Deutschland seinesgleichen sucht: die ebenso geschichtsträchtigen wie weitläufigen Filmstudios, die Sendergebäude des RBB und dazwischen die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) “Konrad Wolf” Potsdam-Babelsberg. Studio Babelsberg, das im Februar gerade seinen 100. Geburtstag gefeiert hat und sich damit das älteste Groß-Filmatelier der Welt nennen darf, kann auf legendäre UFA- und DEFA-Zeiten zurückblicken (letztere unter anderem mit dem berühmten Regisseur Konrad Wolf, dem Namensgeber der Filmschule) und zieht heute große Hollywood-Produktionen an wie z.B. Quentin Tarantinos Inglourious Basterds oder unlängst Der Wolkenatlas von Tom Tykwer und den Geschwistern Wachowski – allerlei deutlich preisgünstigerer Konkurrenz in anderen Teilen der Welt zum Trotz.

Das nach eigenen Angaben größten Studentenfilmfestival Europas wurde 1972 als “FDJ-Studententage” gegründet und blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück, bis es 1995 unter dem etwas romantischen Namen “Sehsüchte” von der HFF Potsdam-Babelsberg wieder in die Eigenständigkeit geführt wurde. Der im Jahr 2000 eingeweihte Neubau der Hochschule war denn auch hauptsächlicher Veranstaltungsort, die meisten Filme wurden aber in den nahegelegenen Thalia Programm Kinos vorgeführt, zwischen denen außerdem ein sehr praktischer Shuttle-Verkehr eingerichtet war: Einige Studenten fuhren einfach mit dem Auto hin und her, wenn sich eine Handvoll Passagiere zusammengefunden hatte.

Sehsüchte Potsdam 2012 - HFF Potsdam

Die elegante Außenfassade der HFF Potsdam-Babelsberg – innen macht die Hochschule einen eher funktionellen Eindruck.

Von den ca. tausend eingereichten Filmen aus aller Welt wurden gut 200 gezeigt, darunter auch einige Langfilme wie Kriegerin oder Trans Bavaria, die zum Teil bereits den Sprung in die deutschen Kinos geschafft hatten; es handelte sich aber ausnahmslos um studentische (Abschluß-)Produktionen. Die Kurzfilme wurden wie üblichen in Blöcken gruppiert präsentiert, darunter auch solche für Kinder und Jugendliche. Die Blöcke waren recht einfallsreich programmiert und nach bekannten Filmen benannt, wie etwa “Drei Farben weiß” mit eben drei Filmen, die mit dieser Farbe zu tun hatten. Darunter befand sich auch mein persönlicher Favorit Der weiße Schatz von Eva Bühler über eine kleine bolivianische Gemeinde am Rande des größten Salzsees der Welt. Nicht nur kommt die Regisseurin den Menschen erstaunlich nahe, sie formt aus der eintönigen Landschaft auch spannende Bilder – hier weiß jemand, wie man Filme macht.

Der diesjährige Fokus lag erstmals nicht auf einer Region, sondern dem Thema Nachhaltigkeit. Dies ging auf eine Initiative der Bundestags-Abgeordneten Valerie Wilms zurück, die auch Teil der Jury war. Die inhaltliche Nähe zu den “Climate Clips” des Münchner Hochschulfilmfests führte dazu, daß sich einige der dort im November präsentierten Filme in Potsdam wieder fanden. Der Preisträger Behind the Screen dokumentierte den Weg unserer Computer vom Rohstoff-Abbau über die Fertigung bis zur Entsorgung des Elektroschrotts, was bekanntlich oft unter sehr fragwürdigen Bedingungen geschieht. Der Film kam selbst mit etwas großspurigen Computer-Effekten daher, die über den ganzen Globus verteilten Recherchen und Dreharbeiten stellten aber eine bemerkenswerte Leistung dar.

Die erstaunlich schwach besuchte Pressekonferenz

Die erstaunlich schwach besuchte Pressekonferenz

Die Retrospektiven schließlich waren dem von mancher Seite verehrten Splatter-Filmer Jörg Buttgereit (Nekromantik) und Doris Dörrie gewidmet. Doris Dörrie war auch anwesend und erzählte gewohnt sympathisch in einem gut moderierten Publikumsgespräch über eine Stunde lang aus ihrem Leben. Ihre Beschreibung des Filmstudiums in München in den Siebziger Jahren klang erstaunlich aktuell. Auch daß man als angehender Filmemacher besser die Beteiligung eines Fernsehsenders bereits in der Tasche hat, bevor man sich um Filmförderung bemüht, ist wohl keine Entwicklung der letzten Zeit gewesen. Das Stolpern in die Karriere inklusive kurzem (und unter den Studenten im Publikum anscheinend bereits vergessenen) Abstecher nach Hollywood mit Ich und Er, die vielfachen Schicksalsschläge bei der Produktion von Bin ich schön? und den danach folgenden radikalen Wechsel zur “ballastfreien” Arbeit mit kleinen Teams – alleine schon für diesen Abend hätte sich der Weg nach Potsdam gelohnt.

Insgesamt bleibt ein sehr charmanter Eindruck von einem Festival, das liebevoll und witzig gestaltet ist und auch nach außen hin recht aufwendig präsentiert wird. Nur mehr Publikum würde man ihm für die Zukunft wünschen!

Preise:

Bester Spielfilm unter 30min
Die Schaukel des Sargmachers / The swing of the coffin maker
Deutschland 2012 | Ifs Internationale filmschule köln | 27′

Bester Spielfilm über 30min
Korsoteoria / So it Goes
Finnland 2012 | 29′

Bestes Schauspiel
Armi Toivanen in Korsoteoria / So it Goes

Beste Kamera
Teardrop
Deutschland/USA 2011 | HFF Potsdam-Babelsberg | 15′
Lobende Erwähnung für Vaterlandsliebe / A German Loves His Fatherland
Deutschland 2011 | Kunsthochschule kassel | 20′

Bester Dokumentarfilm unter 30min
Wir sterben / We die
Deutschland 2011 | HFF Potsdam-Babelsberg | 14′

Bester Dokumentarfilm über 30min
Buy me!
Deutschland 2011 | Filmakademie Baden-Württemberg | 59′

Bester Schnitt
Buy me!

Bester Animationsfilm
Flamingo Pride
Deutschland 2011 | HFF Potsdam-Babelsberg | 6’02”
Kuhina / Swarming
Finnland 2011 | Turku Arts Academy | 7’18”

Förderpreis für das beste Musikvideo
Alcoholic Faith Mission – Legacy
Deutschland 2011 | 4’20”

Fokus-Preis “Nachhaltigkeit”
Behind the screen – Das Leben meines Computers / Behind the Screen
Österreich 2011 | 61′

Produzentenpreis
Mia und der Minotaurus / Mia and the minotaur
Deutschland 2012 | Filmakademie Baden-Württemberg | 35′
Kriegerin / Combat Girl
Deutschland 2011 | HFF Potsdam-Babelsberg | 103′

Bester pitch!
Frauenprobleme

Bester Kinderfilm
Mia und der Minotaurus / Mia and the minotaur

Publikumspreis
Transpapa
Deutschland 2012 | Filmakademie Ludwigsburg | 90′