Monatliches Archiv: Juli 2019

Face_it!

Deutschland 2019 | 80 Min. | Regie: Gerd Conradt | Dokumentarfilm
Sonntag, 04.08.2019 20:15
Werkstattkino, Fraunhofer Str. 9 / 80469 München

Mit Hilfe des Facial Action Coding System (FACS) soll es möglich werden, die Geheimnisse des Gesichts – des Spiegels der Seele – zu entschlüsseln. In Face_It! stellt Gerd Conradt Menschen vor, die sich mit der Überwachung durch digitale Gesichtserkennung kritisch auseinandersetzen – er trifft Datenschützer, Künstler, einen Medienrebellen, eine Kunsthistorikerin, die Staatsministerin für Digitalisierung. Er stellt einen Human Decoder vor, der das populäre FACS anwendet und stellt die Frage, ob diese Systematik die Gefahr birgt, dass der nicht endende mimische Austausch von Gesicht zu Gesicht zu ausdrucks- und geschichtslosen faces reduziert wird, zu Wesen immerwährender alters- und geschlechtsloser Gegenwärtigkeit. Die Protagonisten werden mit Videoclips konfrontiert, in denen das Gesicht als Kunstwerk verhandelt wird. Am Modell der Nofretete tastet ein blinder Mann das „schönste Gesicht der Welt“ ab.
Der Film fragt: Wem gehört das zum Zahlencode gewordene Gesicht? (Quelle: Verleih)

Im Anschluss an die Vorführung findet ein Gespräch mit dem Regisseur Gerd Conradt und Peter Marinković, Direktor der Interfilm-Akademie, statt.

Gautinger Filmgespräch: Tel Aviv on Fire

Luxemburg / Belgien / Israel / Frankreich 2018 | 100 Min. | Regie: Sameh Zoabi | mit Kais Nashif, Lubna Azabal, Yaniv Biton u.a.
Donnerstag, 25.07.2019 19:30
Kino Breitwand Gauting, Bahnhofsplatz 2 / 82131 Gauting

Herrliche Komödie. Tel Aviv on fire ist eine Soap Opera, die jeden Abend über die TV-Bildschirme flimmert und Israelis wie Palästinenser vor dem Fernseher vereint. Der scheue Palästinenser Salam hat gerade ein Praktikum bei der erfolgreichen TV-Soap angetreten. Um das Fernsehstudio zu erreichen, muss er täglich den Check-Point zwischen seinem Wohnort Jerusalem und Ramallah passieren. Dort trifft er auf Assi, den israelischen Chef des Grenzübergangs, der nicht schlecht staunt, einem der Macher der Lieblingsserie seiner Frau gegenüberzustehen. Um seiner Liebsten zu imponieren, übt Assi zunehmend Druck auf Salam aus, die Serie nach seinen Vorlieben zu gestalten. Und Salam begreift, dass die kreativen Einfälle Assis seine große Chance sind, zum Drehbuchautor aufzusteigen. Als sich die Forderungen Assis nicht mehr mit jenen der arabischen Macher vereinbaren lassen, steckt Salam in einem Dilemma. (Quelle: Kino)

Einführung und Diskussion zum Thema „Der Israel-Palästina-Konflikt  gestern, heute, morgen“: Filmpfarrer Eckart Bruchner, Interfilm-Akademie

Hamburger Filmgespräch: Chinatown (OF)

USA 1974 | 130 min. | Regie: Roman Polanski | mit Jack Nicholson, Faye Dunaway, John Huston u.a.
Mittwoch, 31.07.2019, 19:30
Metropolis, Kleine Theaterstr. 10 / 20354 Hamburg

Als der Privatdetektiv Jake Gittes (Jack Nicholson) im Auftrag einer Dame aus der feinen Gesellschaft (Faye Dunaway) ihrem Ehemann hinterher schnüffelt, stolpert er in politische und familiäre Intrigen rund um den mächtigen Noah Cross (John Huston). Regisseur Roman Polanski inszenierte Robert Townes komplexes Drehbuch als Oscar-prämierten, modernen film noir im Los Angeles der 30er Jahre.

Nicht nur die Szene mit der Nase bleibt in Erinnerung. Früher oder später sehen Polanskis Helden mit weit aufgerissenen Augen das Unfaßbare. Wie hieß Gittes‘ früheres Motto als Polizist in Chinatown? „Just don’t do a goddamned thing.“

Moderiert wird die Veranstaltung vom Filmemacher Franz Indra und dem Autor Stefan Preis.

Hamburger Filmgespräch meets Bizarre Cinema: Carrie (OF) & The Rage: Carrie 2 (OF)

Carrie (OF)
USA 1976 | 98 min. | Regie: Brian De Palma | mit Sissy Spacek, Piper Laurie, John Travolta u.a.
Samstag, 13.07.2019, 19:30
Metropolis, Kleine Theaterstr. 10 / 20354 Hamburg

The Rage: Carrie 2 (OF)
USA 1999 | 104 min. | Regie: Katt Shea, Robert Mandel | mit Emily Bergl, Jason London, Dylan Bruno u.a.
Samstag, 13.07.2019, 21:45
Metropolis, Kleine Theaterstr. 10 / 20354 Hamburg

Von all seinen cineastischen Märchen über das Geheimnis des weiblichen Körpers und die ungeheure Macht der Fantasie ist Carrie De Palmas blutigstes und zugleich zartestes Werk. Untermalt vom kongenialen Score Pino Donaggios, erzählt der Film die Geschichte des telekinetisch begabten Mädchens Carrie White, dessen erste Monatsblutung unter der Schuldusche zu Hänseleien ihrer Mitschüler und zur Züchtigung durch ihre fanatisch religiöse Mutter führt. Was in anderen Filmen über Freud und Leid der Jugendzeit komödiantisch oder sozialpädagogisch unter den Teppich gekehrt wird, drängt in diesem visuell atemberaubenden Adoleszenzschocker unaufhaltsam an die Oberfläche: Scham, Lust, Einsamkeit, Blut, Sadismus und der schöne Wahn, im eigenen Untergang die ganze Welt gleich mit auszulöschen.

The Rage: Carrie 2 kann man sowohl als Fortsetzung als auch als Remake von Brian De Palmas Horror-Klassiker betrachten. Die Story ist im Prinzip dieselbe. Eine Außenseiterin wird von Mitschülern gequält, bis diese sich in einem Blutrausch rächt. Der erste Teil wird oftmals aufgegriffen und mit Amy Irving (Sue aus dem Original) hat sogar eine Überlebende des ersten Teils ein paar Auftritte. (Quelle: Kino)

Stephen Kings erster veröffentlichter Roman ist ein Meilenstein der amerikanischen Horrorliteratur. (Seine Frau konnte glücklicherweise das Manuskript retten, nachdem es schon im Papierkorb gelandet war.) Der ehemalige Lehrer beschreibt – damals wie heute aktuell – religiösen Fanatismus, Konformitätsdruck, der jeden ausschließt, der nur ein wenig anders ist als die Anderen, Bullying und Gewalt an Schulen. Brian De Palma gelang 1976 eine werkgetreue Umsetzung sowie eine unvergessliche Hommage an sein Vorbild Alfred Hitchcock (die Ereignisse spielen an der Bates High School) und die Walt-Disney-Märchenverfilmungen in unvergesslichen, apokalyptischen Bildern. 1999 folgte eine als Sequel gestaltete Neuinterpretation von Katt Shea (die Halbschwester von Carrie nimmt nach dem Suizid ihrer besten Freundin Rache an deren und ihren Peinigern), welches wir im Anschluss zeigen.

Trauer um Artur Brauner

Die Interfilm-Akademie trauert um ihren Ehrenpreisträger Artur Brauner. Er war eine Jahrhundertpersönlichkeit, die insbesondere den deutschen Film nach 1945 entscheidend mitgeprägt hat.

Artur Brauner

Den One-Future-Ehrenpreis 2017 der Interfilm-Akademie erhielt er für sein Lebenswerk als Produzent, Grenzgänger und Brückenbauer. In den über 70 Jahren seiner Tätigkeit als Filmproduzent setzte er das Kapital, das er mit dem Unterhaltungskino verdiente, immer wieder in Filmprojekten ein, die ihm aufgrund seiner persönlichen Lebensgeschichte stark am Herzen lagen: Schon sein zweiter Film Morituri (Regie: Eugen York) thematisierte 1948 die Gräuel des Holocaust. Er produzierte 1982 Die weiße Rose unter der Regie von Michael Verhoeven, sein Hitlerjunge Salomon (Regie: Agnieszka Holland) mit Marco Hofschneider in der Titelrolle und Julie Delpy in der weiblichen Hauptrolle gewann 1992 den Golden Globe und erhielt eine Oscar-Nominierung für das beste Drehbuch.

Dr. Peter Marinković
Direktor der Interfilm Akademie

Eckart Bruchner
Ehrenpräsident Interfilm-Akademie

One-Future-Preis 2019 an „Perro Bomba“

Die Menschen unseres Jahrhunderts haben eine einzige unteilbare Zukunft – One Future. In diesem Sinne zeichnet der One-Future-Preis jedes Jahr einen Film aus dem Programm des Filmfests München aus, der diesen Gedanken in ethisch wie filmästhetisch überzeugender Weise umsetzt. Die Interfilm-Akademie hat im Rahmen des 37. Filmfests München am 6. Juli 2019 zum 34. Mal Auszeichnungen vergeben.

Preisträger

Der One-Future-Preis 2019 geht an den Film Perro Bomba (Chile 2019) von Juan Cáceres aus der Reihe International Independents.

v.l.n.r.: Dr. Peter Marinković, Franziska Ball, Juan Cáceres und Mirjam Orthen (Credit: Robert Auerbacher)

Begründung:

Steevens, ein junger haitianischer Immigrant in Chile, hat das Notwendigste, was er zum Leben braucht: Arbeit auf dem Bau, ein Dach über dem Kopf und ein paar Freunde. Doch als sein alter Jugendfreund ebenfalls nach Chile emigriert und Steevens ihm mit seinen bescheidenen Mitteln zu helfen versucht, zeigt sich, wie fragil sein eigenes Gerüst ist.
Perro Bomba zeigt, auf erschreckend reale Art, die existenzielle Notsituation eines haitianischen Immigranten in Chile. Ohne zu stark zu polarisieren, geht man mit dem Protagonisten durch eine Welt der Widerstände, des Rassismus sowie der eigenen Sehnsüchte und Traditionen.
Perro Bomba verzichtet auf Hochglanzbilder und bombastische Kinoästhetik und vermittelt mit schlichten, dokumentarisch anmutenden Bildern den Eindruck einer Echtheit, die dem Film tatsächlich zugrunde liegt. Aus genauen Beobachtungen im eigenen Umfeld und entstanden aus Improvisationen, kreiert Juan Cáceres mit seinen Darstellern eine Geschichte, die einen berührt und in ihrer Tragik ergreift.
Von der Handlung losgelöste, wiederkehrenden Musikeinlagen symbolisieren die Freude und den Stolz der Haitianer, wodurch auf spielerische und erfrischende Art ein einseitiger, problembelasteter Blick verhindert wird. Perro Bomba thematisiert einen brisanten Aspekt der jüngsten Geschichte Chiles, zeigt gesellschaftliche Missstände auf und spricht damit gleichzeitig eine universelle Problematik an. Der
Film beweist den Idealismus eines Regisseurs, der für eine gerechtere, bessere Welt kämpft. Wir glauben, dass von Juan Cáceres noch große, relevante Filme zu erwarten sind und möchten ihn auf diesem Weg ermutigen. Dafür verleihen wir ihm den One-Future-Preis 2019.

Biografie Juan Cáceres

Juan Cáceres, Jahrgang 1990, lebt und arbeitet in Chile. Er besuchte die Universität von Chile und begann seine Filmkarriere mit den Kurzfilmen Desiderium (2016) und La Duda (2017). Perro Bomba ist sein erster Langfilm und wurde auf internationalen Festivals bereits mehrfach ausgezeichnet.

Der internationalen Jury unter Vorsitz des Direktors der Interfilm-Akademie Dr. Peter Marinkovic gehörten in diesem Jahr die Regisseurin Mirjam Orthen sowie die Schauspielerinnen Franziska Ball (links) und Irina Kurbanova (rechts) an.

Mit dem Ehrenpreis der Interfilm-Akademie wurde die Schauspielerin Elisabeth Wicki-Endriss für ihr Lebenswerk als Schauspielerin, Bewahrerin des Filmerbes von Bernhard Wicki (1919-2000) und Förderin der Film-Friedensarbeit ausgezeichnet.

Die Laudatio hielt Susanne Hermanski, Leiterin Kultur & SZ Extra der Süddeutschen Zeitung, die stellvertretende evangelische Landesbischöfin Susanne Breit-Keßler sprach ein Grußwort

v.l.n.r.: Franziska Ball, Dr. Peter Marinković, Diana Iljine, Elisabeth Wicki-Endriss, Susanne Hermanski, Susanne Breit-Keßler, Mirjam Orthen (Credit: Michael Rüdel)