One-Future-Preis 2022 an „Nicht ganz koscher – eine göttliche Komödie“

Die Menschen unseres Jahrhunderts haben eine einzige unteilbare Zukunft – One Future. In diesem Sinne zeichnet der One-Future-Preis jedes Jahr einen Film aus dem Programm des Filmfests München aus, der diesen Gedanken in ethisch wie filmästhetisch überzeugender Weise umsetzt. Die Interfilm Academy Munich e.V. hat im Rahmen des 39. Filmfests München am 2. Juli 2022 zum 37. Mal Auszeichnungen vergeben.

Preisträger

Der One-Future-Preis 2022 geht an den Film Nicht ganz koscher – eine göttliche Komödie (Deutschland 2022) von Stefan Sarazin und Peter Keller aus der Reihe Neues Deutsches Kino.

Begründung:

Ein orthodoxer Jude, der mit einem Sonderauftrag nach Alexandria durch die Wüste reist, und ein muslimischer Beduine, der sein Kamel sucht, begegnen sich in der Wüste Sinai. Damit beginnt notgedrungen eine gemeinsame Reise mit vielen Schwierigkeiten, auf der sie lernen, ihre unterschiedlichen religiösen und kulturellen Überzeugungen in zunehmend toleranter und humorvoller Weise gegenseitig zu respektieren. Vorwärts geht es für beide Männer nur gemeinsam, aber wie vereint man 613 jüdische Glaubensregeln mit den archaischen Gesetzen der Wüste? Als auch noch das Auto den Geist aufgibt, geht es bald nicht mehr nur ums gemeinsame Essen, sondern uns nackte Überleben.

Ein Roadtrip durch die Wüste Sinai, wie er absurder nicht sein kann, ein turbulenter wie nachdenklicher Film um unterschiedliche Kulturen und der Frage nach Identität, der das Kinopublikum ermutigt, sich kontroversen Themen zukünftig mit mehr Toleranz, Verständigungsbereitschaft und mehr Optimismus zu stellen. Obwohl der Film schon zuvor wichtige Preise gewonnen hat, entschied sich die Interfilm-Jury nach intensiver Diskussion für diesen Film, zumal diesmal andere Filme zur gefährdeten Zukunft der Welt nicht in ähnlicher Weise überzeugten. Mit Elan werden wir Nicht ganz koscher demnächst in Deutschland und woanders mit dem Kinopublikum diskutieren.

Lobende Erwähnung

Eine lobende Erwähnung erhält Paloma (Brasilien / Portugal 2022) von Marcelo Gomes.

Begründung:

Der brasilianische Film Paloma von Marcelo Gomes feierte seine Weltpremiere beim Filmfest München. Eine Transfrau kämpft um ihr Recht zu heiraten. Die brasilianische Schauspielerin Kika Sena ist als Paloma in der Titelrolle mit ihrem Filmdebüt zu sehen. Paloma erzählt in einer romantisch-tragischen Geschichte über „Jemanden auf der Suche nach Selbstbestimmung“. Paloma führt als Transfrau ein einfaches und glückliches Leben mit Tochter und Partner. Ihr Leben ist stabil und geordnet, wäre da nicht ihr sehnlichster Wunsch, kirchlich getraut zu werden. Der Priester lehnt ihr Ansinnen ab mit der Begründung, die Kirche würde derartige Trauungen nicht erlauben. Vergeblich bittet sie in einem Schreiben an den Papst um Erlaubnis einer Eheschließung mit all ihren Freund*innen als Gäste. Zugleich ist es ein Ringen um gesellschaftlich Annerkennung.

Marcelo Gomes und seiner Hauptdarstellerin Kika Sena gelingt es, diesen Weg auf sehr authentische, zugleich poetische Weise zu erzählen. Paloma wird Opfer von Gewalt, Verrat, Vorurteilen und Ungerechtigkeit. Aber nichts kann den Glauben und die Enschlossenheit dieser Transfrau erschüttern. Gomes setzt auf die Kraft der Bildsprache, geht sparsam mit Dialogen um. Man nimmt feinsinnig gearbeitetes Sounddesign wahr, um Palomas Innerlichkeit nachzuempfinden, die für jeden das Recht zu träumen postuliert. Der Film erzählt zugleich von der brasilianischen Gesellschaft, von den Schwierigkeiten, Bedrohungen und Gefahren, denen Transfrauen nicht nur in Brasilien ausgesetzt sind.

Ein starker, sehr überzeugender Film, der Mut macht, nicht aufzugeben. Das Changieren zwischen Traum und Realität stellt die Situation der Hauptfigur und ihren Kampf für Akzeptanz dar, der auch übertragen werden kann auf andere Bereiche, andere Kämpfe eines Individuums für Veränderung, Menschlichkeit und Freiheit, mehr Freiheit, mehr Menschlichkeit, mehr Toleranz, nicht nur in Brasilien, sondern überall.

Marcelo Gomes Film Paloma ist ein hoffnungsvolles Plädoyer für eine gemeinsame bessere Zukunft: ONE FUTURE, erzählt mit einer großartigen Hauptdarstellerin.

Ehrenpreis

Mit dem Ehrenpreis der Interfilm-Akademie wurden die Kommunikationswissenschaftlerin und Filmautorin Stefanie Landgraf und der Kameramann und Filmregisseur Johannes Gulde (beide München) für besondere Verdienste als Filmschaffende ausgezeichnet.

Ihre Reportagen und Dokumentarfilme für das Fernsehen aus Krisen- und Kriegsgebieten im Nahen und Mittleren Osten haben Maßstäbe für die Wahrnehmung von Konfliktlösungen gesetzt, ebenso ihre Filme über den „Kampf gegen Hunger und Dürre in Afrika“, die mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurden. Mit dem von ihnen entwickelten internationalen Begegnungsprogramm „Fremde und eigene Lebenswelten wahrnehmen und verstehen lernen“ fördern sie seit Jahrzehnten einen gelingenden interkulturellen Verständigungsprozess zwischen Deutschen und Flüchtlingen, der vor dem Hintergrund rassistischer Hetze und Gewalt notwendiger denn je ist.